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Die Grundsätze und Leitlinien der ANW 2024

Dauerwald im WinterArbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft Deutschland e. V.

Grundsätze der ANW und waldbauliche Leitlinien (05/2024)

A.) Grundsätze naturgemäßer Waldwirtschaft

1. Anpassungsfähige, widerstandsfähige und resiliente Wälder entwickeln
Mit einer naturgemäßen Waldbewirtschaftung strebt die ANW multifunktionale und dauerhaft gemischte, strukturreiche Wälder, den Dauerwald, an. Diese ermöglichen die nachhaltige und integrative Bereitstellung ökonomischer, ökologischer und sozialer Funktionen. Dabei kann die Gewichtung der verschiedenen Funktionen betrieblich unterschiedlich sein. Naturgemäße Waldwirtschaft soll gleichwohl sicherstellen, dass auf derselben Fläche z.B. der nachwachsende Rohstoff Holz erzeugt und geerntet wird und dabei gleichzeitig ein möglichst naturnaher Lebensraum erhalten bleibt bzw. entwickelt wird. Wir sind zudem der Überzeugung, dass die schonende, an natürlichen Prozessen orientierte Waldbewirtschaftung, die zu Dauerwäldern führt, die Anpassungsfähigkeit der Wälder an klimatische Änderungen erhöht, die Widerstandsfähigkeit der Bäume gegen klimatische Extreme steigert und die Resilienz der Wald-Ökosysteme verbessert.

2. Dauerwald bewirtschaften
Dauerwälder sind durch Baumartenmischung, strukturelle Vielfalt, den Verzicht auf Kahlschläge und andere schlagweise Verfahren, den Vorrang der natürlichen Waldverjüngung und einen naturnahen Lebensraum gekennzeichnet. Sie entstehen im Zuge der Bewirtschaftung durch ein kleinflächig differenziertes Lichtangebot, einzelbaumorientierte Holzernte sowie die Integration von Elementen der natürlichen Waldentwicklung. Bei allen Unsicherheiten sind wir überzeugt davon, dass dieses integrative Bewirtschaftungskonzept am besten dazu geeignet ist, anpassungs- und widerstandsfähige sowie resiliente Dauerwälder zu entwickeln und zu erhalten und nachhaltig unterschiedliche Ökosystemfunktionen sicherzustellen.

B.) Waldbauliche Leitlinien auf dem Weg zum Dauerwald

1. Angestrebt werden Mischbestände aus mehreren standortgerechten Baumarten mit unterschiedlichen ökologischen Eigenschaften. Dabei soll das gesamte Spektrum der heimischen Baumarten berücksichtigt werden. Der Erhaltung seltener Baumarten wird eine hohe Priorität eingeräumt.

2. Bewährte nichtheimische Baumarten können als Mischbaumarten beteiligt werden. Versuchsanbauten erfolgen kleinflächig, insbesondere mit Herkünften und Baumarten aus den Mitteleuropa benachbarten wärmeren Florenregionen.

3. Dauerwälder regenerieren sich im Zuge der Waldpflege kontinuierlich und in einem räumlichen Mosaik weitgehend natürlich. Dies erhöht die natürlichen Selektionsmöglichkeiten und sichert eine ungestörte Wurzelentwicklung. Naturverjüngung aus mehreren Baumarten wird grundsätzlich angestrebt. Sofern keine ausreichende Zahl an potenziellen Mutterbäumen der gewünschten Baumarten vorhanden ist, wird auf Saat oder Pflanzung zurückgegriffen.

4. Dauerwälder sind strukturreich und ungleichaltrig. Die gewünschte Baumartenmischung und strukturelle Vielfalt wird durch Steuerung des Lichtangebots sichergestellt.

5. Die Pflege des Vorrats erfolgt stetig, in kurzen Intervallen und in allen Bestandesschichten auf ganzer Fläche. Sie wird so durchgeführt, dass das Waldinnenklima keinen drastischen Schwankungen unterliegt und sich stets deutlich von den Freilandverhältnissen unterscheidet.

6. Die Nutzung erfolgt in der Regel einzelbaum- bis gruppenweise.
Geerntet werden z.B. Bäume,
a) die ihren angestrebten ökonomischen Wert erreicht haben,
b) deren Fällung der Förderung von Nachbarbäumen durch Positivauslese dient, damit der ökonomische oder ökologische Wert der Nachbarbäume steigt oder gesichert werden kann,
c) deren Ernte der Strukturvielfalt zuträglich ist und/oder
d) durch deren Entnahme das Ankommen und die Entwicklung des Nachwuchses gefördert wird.

7. Die Ernte von Bäumen erfolgt mit boden- und bestandesschonenden Arbeitsverfahren unter Berücksichtigung der Boden und Witterungsverhältnisse. Die Befahrung soll durch möglichst weite Rückegassenabstände minimiert werden. Außerhalb permanenter, markierter Rückegassen wird der Waldboden geschont.

8. Besondere Beachtung finden die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und die Humuspflege. Die bestandestypische bodenbiologische Aktivität wird durch Anwendung ökosystemschonender Holzernteverfahren so wenig wie möglich gestört. Auf flächige Bodenbearbeitungen, die die natürliche Lagerung des Mineralbodens verändern, wird verzichtet. Es soll ein angemessener Anteil des im Zuge der Bewirtschaftung anfallenden Kronenmaterials und Holzes zur Sicherung der Nährstoffnachhaltigkeit, der Artenvielfalt und zur Wasserrückhaltung im Wald verbleiben. Walderschließung und Nutzung werden so gestaltet, dass ein möglichst hohes Wasserangebot für den Wald verfügbar gehalten wird.

9. Die Höhe der Schalenwildbestände wird so gesteuert, dass eine artenreiche und kontinuierliche Regeneration der Baum-, Strauch- und Krautschicht ohne Schutzmaßnahmen gelingt. Werden bisher nicht vorkommende Baumarten eingebracht, muss deren vom Wild weitgehend unbeeinflusste Entwicklung gewährleistet werden.

10. Auf den Einsatz von Pestiziden wird grundsätzlich verzichtet.

11. Dem Schutz der Biodiversität kommt eine besondere Bedeutung zu. Diesem Ziel dienen auf betrieblicher Ebene Bestände mit abwechslungsreichen Waldstrukturen, unterschiedlichen Kronenöffnungsgraden und die Sukzession insbesondere nach Störungen. Habitatbäume und deren Anwärter, stehendes und liegendes Totholz werden in ausreichender Menge und Diversität bereitgestellt. Ist der Dauerwaldzustand erreicht, sollen Habitatbäume und Totholz mindestens 10% des aufstockenden Vorrats einnehmen.
Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft Deutschland e. V.
Grundsätze der ANW und waldbauliche Leitlinien (05/2024)

12. Bei ausreichender Betriebsgröße sollten unbewirtschaftete Referenzflächen eingerichtet werden. Sie dienen der natürlichen Waldentwicklung und deren Beobachtung.

13. Auch auf Störungsflächen ist eine flächige Befahrung grundsätzlich auszuschließen. Verbliebene lebende oder tote Bäume sollten grundsätzlich nicht vollständig entnommen werden, da von ihnen positive Effekte für das gesamte Ökosystem ausgehen. Zur Wiederbewaldung von Störungsflächen werden, wo immer möglich und sinnvoll, Naturverjüngung und Sukzessionsprozesse genutzt.

C.) Begleitende Maßnahmen

1. Monitoring
Die Dauerwaldwirtschaft strebt eine möglichst hohe Stabilität und Resilienz des gesamten Lebensraumes Wald und seine nachhaltige Nutzung an. Zur Überprüfung dieser Ziele nutzen wir Inventurverfahren sowie Korridore für Bestandesvorräte und -grundflächen, die neben den baumbezogenen Informationen auch Aussagen zur Strukturvielfalt, Artenausstattung und Funktionalität des Ökosystems ermöglichen.

2. Schulung und Beratung
Für den Transfer der vorgestellten Waldbaugrundätze und Leitlinien in die forstliche und jagdliche Praxis werden u.a. durch Schulungen zum konkreten Vorgehen vor Ort angeboten. Wichtige Bestandteile dieser Fortbildungen sind Marteloskope und Weisergatter.

3. Öffentlichkeitsarbeit
In Dauerwäldern insbesondere mit vorrangiger Erholungsfunktion wird das forstliche Handeln durch intensive Öffentlichkeitsarbeit begleitet und verständlich gemacht. Mächtige Einzelbäume und bizarre Baumformen werden in sicherer Entfernung zu den Wegen, aber sichtbar bis zu ihrem natürlichen Zerfall erhalten.

4. Umgang mit Wäldern mit kulturhistorischer Bedeutung
Mit dem Ziel der Bewahrung des Kulturerbes und in Ergänzung zur naturgemäßen Waldbewirtschaftung können historische Bewirtschaftungsformen weitergeführt werden. Sie sichern den Fortbestand der vielfältigen Waldlebensgemeinschaften, die sich ausschließlich aus der Kulturtätigkeit des Menschen heraus entwickeln konnten und von dieser abhängen.

5. Internationale Zusammenarbeit
Die laufende Überprüfung und Weiterentwicklung der Grundsätze der Dauerwaldbewirtschaftung erfolgt in enger Abstimmung mit dem internationalen Dachverband der naturgemäßen Waldwirtschaft Pro Silva (www.prosilva.org).